Wir beziehen uns auf das Statement des AJZ Neubrandenburg zum Angriff von Keller nach einem Konzert am 21.1.2023 (siehe unten).
Wir haben von dem Angriff am nächsten Morgen erfahren, weil andere Anwesende uns davon erzählt haben. Bei einem kurzen Telefonat wenige Tage nach dem Konzert mit einer Person aus der Veranstaltungsgruppe haben wir uns für das Verhalten von Keller entschuldigt und sind dann 10 Tage später auf das Statement des AJZ bei Instagram gestoßen. Seitdem haben wir überlegt, wie wir damit umgehen.
Unsere erste Reaktion war ein Schock: Wir sind eine Band, die keinen Bock hat auf die "Alles-egal-Oberkörperfrei-Fraktion" im Punk, die sich in vielen Texten auch gegen die Macho-Attitüde von Teilen der Punk-Szene ausgesprochen hat. Wir finden selbstverwaltete Zentren gut und wichtig, wir finden Safe-Spaces gut, wichtig und notwendig. Offensichtlich reicht es aber nicht, sich in Songtexten und Aussagen zu positionieren, wenn das eigene Handeln dann mit diesen Ansprüchen völlig kollidiert.
Wir stimmen dem Statement zu, es ist kein Zufall und kein Einzelfall, dass Gewalt in unserer Gesellschaft meist von Männern ausgeht und sich oft gegen FLINTA* richtet. Wenn Männer ihren Frust betrunken in Gewalt umwandeln, reproduziert das genau dieses strukturelle Verhältnis - umso schlimmer wenn das in den Räumen stattfindet, die eigentlich Safe-Spaces sein sollten. Dass die anderen Bandmitglieder das nicht vor dem Statement des AJZ deutlich genug benannt haben, liegt sicherlich auch an einem blinden Fleck in der eigenen Wahrnehmung: Betrunkene Gewalt wird als Verhalten bei Männern auch in der Punkszene oft genug als unangenehme aber hinzunehmende Begleiterscheinung angesehen - für die Betroffenen ist sie das aber nicht.
Das wir den Angriff von Keller an dem Abend Scheiße finden und uns bei der betroffenen Person dafür entschuldigen möchten, steht außer Frage. Wenn es von der Unterstützer*innengruppe über das Statement hinaus Forderungen gibt, wollen wir diese erfüllen.
Was aber weiterhin tun? Die Band auflösen und den Raum anderen überlassen, die das besser hinkriegen, wäre eine Möglichkeit. Aber es scheint uns auch nicht richtig, nach Fehlern alles hinzuschmeißen, ohne wenigstens den Versuch zu unternehmen, das eigene Verhalten zu ändern. Das wollen wir versuchen.
Da wir Alkohol für den Hauptauslöser des gewalttätigen Verhaltens halten, wird Keller auf Kellerasseln-Konzerten nicht mehr trinken. Weiterhin werden wir uns mit den oben benannten blinden Flecken auseinandersetzen und Kritik an unserem Handeln auch weiterhin nicht ignorieren. Ob das ausreicht das verspielte Vertrauen wieder herzustellen, haben wir nicht zu entscheiden.
INHALTSWARNUNG: DIE FOLGENDEN ZEILEN BEINHALTEN GEWALT GEGEN-FLINTA*- PERSONEN
Stellungnahme zum Abend des 21.01.2023 in Bezug zur Erfurter Punk-Band "Kellerasseln" und ihrem Sänger/Gitarristen "Keller"Die folgende Stellungnahme wurde im ausdrücklichen Einverständnis und in enger Zusammenarbeit mit der betroffenen Person (kurz: bP) geschrieben. Um größtmöglichen Betroffenenschutz zu gewähren und dennoch den Fokus auf ihre Perspektive und Forderungen zu legen, hat sich eine Unterstützungsgruppe aus Vertrauenspersonen (externe Gruppe) um die bP herum gebildet. Die Verantwortung für die Stellungnahme und die Aufarbeitung vor Ort liegt allein bei der Unterstützungsgruppe und dem AJZ-Kollektiv.
ZUM VORFALL
Am 21.01.23 wurde ein Konzertabend im AJZ Neubrandenburg veranstaltet. Während die Party ihren Lauf nahm, kam es in den frühen Morgenstunden des 22.01. zu einem Angriff auf eine FLINTA*Person durch "Keller" den Sänger und Gitarristen der Band Kellerasseln. Die Erfurter Band war eine der 4 Bands die an diesem Abend gespielt hatten. Während die Bandmitglieder sich schlafen legten, blieb Keller.
Immer wieder wurde er darauf hingewiesen, dass er sich störend und provokant verhält. Keller reagierte jedoch nicht auf die Aufforderungen die Gäst*innen in Ruhe zu lassen. Auch die bP hatte mehrmals deutlich zu verstehen gegeben, in Ruhe gelassen werden zu wollen. Daraufhin ließ er von der Gesprächsrunde ab und geriet aus dem Blickfeld der anwesenden Personen. Die Anwesenden führten ihre Gespräche fort und achteten nicht mehr auf das Bandmitglied.
Kurz darauf griff "Keller" die bP unerwartet von hinten an, indem er eine Tasse nahm und gezielt nach der bP warf. Die Tasse verfehlte die FLINTA*-Person nur knapp und zersprang neben ihr. Dabei handelte "Keller" nicht im Affekt sondern nahm vorsätzlich schwere Verletzungen in Kauf und gefährdete durch die Situation alle Anwesenden.
Es ist kein Zufall, dass die bP eine FLINTA* Person ist. Dieser Vorfall darf nicht als Einzelfall betrachtet werden, sondern reiht sich in die unzähligen patriarchalen Gewalt-erfahrungen ein, die für viele FLINTA*s Alltag sind. Unsere einzige Waffe gegen diese alltägliche Gewalt, indem wir sie auch in unseren Räumen bekämpfen, ist die Solidarität!
Wir, das AJZ Neubrandenburg, solidarisieren uns mit betroffenen Personen und verurteilen diesen Angriff. Hiermit sprechen wir den "Kellerasseln" und insbesondere dem Gitarristen und Sänger "Keller" ein Hausverbot aus. Wir fordern die Band dazu auf Verantwortung für das Verhalten ihres Bandmitglieds zu übernehmen und dies als Anlass zu nehmen, um sich mit ihrem eigenen Verhalten und der daraus resultierenden patrichalen Gewalt, die sie (re)produzieren auseinanderzusetzen.
Patriarchale Machtstrukturen haben (nirgendwo und) vor allem in linken Räumen nichts zu suchen. Mit unserer Stellungnahme wollen wir auch andere Clubs und Jugendzentren auf das gefährdende Verhalten von "Keller" aufmerksam machen und fordern Solidarität mit Betroffenen.